Seit
meiner fundierten und berührenden Ausbildung zur ehrenamtlichen Hospizhelferin
2012 beschäftigen mich viele Fragen über das Sterben und den Tod, insbesondere auch:
Welche Möglichkeiten gibt es,
Verstorbene würdevoll einzukleiden?
Auf
der Suche nach etwas Besonderem, Individuellem und Schönem hat mich die alte
Tradition der Tuchbestattungen inspiriert: ein wertvolles Tuch, eine
ästhetische Umhüllung, ein wärmender Schutz. Natürlich kann ein Toter Wärme
nicht mehr spüren. Aber für den, der Abschied nimmt, ist es ein gutes Gefühl,
den Verstorbenen liebevoll in eine schützende Hülle zu kleiden. Und den
Angehörigen, die den Toten am offenen Sarg verabschieden, prägt sich ein
letztes, besonderes Bild ein.
Nach
einem Todesfall werden Angehörige vom Bestatter oft gebeten, aus dem
Kleiderschrank des Verstorbenen die passende Kleidung auszusuchen. Das ist ein
wichtiger und schwerer Schritt im Annehmen des Todes. Manche entscheiden sich
für die Lieblingskleidung, andere für den Sonntagsstaat. Es gibt auch Talare,
die hinten offen sind - ähnlich einem Krankenhaushemd. Aber bei vielen
besonderen Anlässen machen wir uns Gedanken über schöne Kleidung - für die
Taufe, Kommunion, Schulabschluss, Hochzeit - warum nicht auch über
Totengewänder? Die Kleidung aus dem Leben erscheint nicht jedem angemessen.
Es
ist uns überliefert, dass Jesus in Tücher gehüllt wurde. In früheren Zeiten
wurden Verstorbene nur in Tüchern zu Grabe getragen, die Sargbestattung war
Begüterten vorbehalten, die sich das leisten konnten. Juden und Muslime pflegen
weiterhin die Tradition der Tuchbestattung. Wenn Menschen sich aus
weltanschaulichen, ökologischen oder religiösen Gründen für eine sarglose
Bestattung entscheiden, wäre es wünschenswert, dass dies zukünftig in
Deutschland neben der traditionellen Sargbestattung ermöglicht wird.
Meine modernen Sterbetücher nenne ich FÄHR-HÜLLEN. Es sind Schmuckstücke aus Walkstoff, Leinen, Filz oder Seide.
Auf Anfrage können wir auch individuelle Tücher fertigen. Jedes Tuch ist ein
handgefertigtes, individuelles Design-Stück aus hundertprozentigen
Naturmaterialien. Es ist biologisch abbaubar und schont somit unsere Umwelt.
Der
Name FÄHR-HÜLLE® entstand in Anlehnung an die griechische Mythologie: Eine Fähre
bringt den Verstorbenen vom Leben über den Fluss Styx in das Totenreich am
anderen Ufer.
Verdrängen wir die eigene
Sterblichkeit?
Die
Gedanken gehen weiter: Könnte die Überlegung rund um unser letztes Kleid
vielleicht auch eine Annäherung an die eigene Sterblichkeit sein? Wollen wir bei der Verabschiedung in unsere Lieblingsfarben gekleidet sein, in
einem individuellen und würdevollen Kleidungsstück?
Dieses
könnten wir, wie es früher üblich war, bereits zu Hause aufbewahren. Das
Sterben und der Tod werden somit nicht verdrängt, sondern in unser Leben
einbezogen. Wie würden wir unser Leben leben, wenn wir unsere Blickrichtung
ändern würden: Den Tod nicht als Schreckgespenst vor Augen haben, sondern unser
Leben vom Tod her betrachten? Das Leben kann reicher werden, wir können mit
mehr Dankbarkeit und Demut leben, wenn der Tod nicht ausgeschlossen wird. Die
kleinen, schönen Augenblicke im Leben können mehr Aufmerksamkeit bekommen.
Aus
Gesprächen weiß ich, dass es Menschen gibt, die bereits zu Lebzeiten ihr
eigenes Totenkleid, Sterbetuch oder Sargtuch selbst gestalten und nähen.
Für
schwerstkranke Angehörige oder Freunde könnten wir so etwas tun – mit unseren
Händen kreativ arbeiten. Gerade bei großem Leid, wenn der Tod schon nahe ist,
sind Angehörige oft in tiefer Verzweiflung, nichts mehr für den Sterbenden tun
zu können. Da kann die Arbeit an einem individuellen, besonderen und letzten
Geschenk den Händen etwas zu tun geben. Gleichzeitig zeigen wir so die
herzliche Verbundenheit. Eine Geste der Dankbarkeit und Liebe für langjährige,
innige und tiefe Beziehungen und Freundschaften.
Verstecken wir die Toten?
Die
meisten Menschen sind schockiert, wenn plötzlich der Tod in ihr Leben tritt.
Sie fühlen sich überfordert, was als nächstes zu tun ist – kein Wunder, denn
dieses Wissen ist verloren gegangen. Die traditionelle familiäre Totenfürsorge
ist an eher ökonomisch denkende professionelle Bestatter abgegeben worden. Aber
es gibt keinen Grund für Hektik und Betriebsamkeit. Unsere Verstorbenen waren
vor ihrem Tod unsere Mütter, Väter,
(Ehe-)Partner,
Kinder, Verwandte und Freunde. So viele Jahre wurden gemeinsam verbracht und
nun rufen wir schnell nach dem Bestatter?
Alte
Traditionen gibt es nur noch selten, wie zum Beispiel die offene Hausaufbahrung.
Früher kamen die Nachbarn und verabschiedeten sich, Kinder durften dabei sein.
Es war selbstverständlich, einen Verstorbenen zu sehen, ihm die letzte Ehre zu
erweisen und sich um die Trauernden zu kümmern. Heutzutage sehen wir unendlich
viele Tote in Fernsehen und Internet, aber gefühlsmäßig meilenweit entfernt,
gemütlich auf der Wohnzimmercouch sitzend.
Wenn
uns die Nachricht ereilt, dass im nahen Umfeld jemand verstorben ist, haben wir
dann den Mut, uns persönlich zu verabschieden? Oder die Gelegenheit? Es ist eine
positive Entwicklung, dass die alten Traditionen wieder aufleben und zu Hause, im
Pflege- oder Altenheim, im Krankenhaus, beim Bestatter oder in der Kirche die
Möglichkeit geschaffen wird, an das Totenbett oder den offenen Sarg zu treten.
Die Hand eines Toten zu berühren macht den Tod begreiflich. Bei einer
Aufbahrung kann nach Unfällen oder Suiziden so viel des Verstorbenen gezeigt
werden, wie möglich ist. Erschreckende Phantasiebilder bleiben uns vielleicht erspart,
wenn wir nur einen unversehrten Körperteil sehen.
Lassen wir uns unsere Toten nicht
nehmen!
Trauen
wir uns wieder, unsere Verstorbenen selbst liebevoll zu waschen und in ein Tuch
zu hüllen oder einzukleiden. Das Gesicht, die Hände und den Körper einzuölen, die Haare zu
kämmen. Verständnisvolle Bestatter begleiten unseren gewünschten Weg und bieten uns Unterstützung an. Viele Hinterbliebene wünschen sich, in dieser
emotionalen Ausnahmesituation verständnisvoll und menschlich gut betreut zu
werden. Nach dem Tod meiner Schwiegermutter im Pflegeheim wurden mein Mann und
ich bestärkt, zunächst nichts zu tun, keinen Arzt zu rufen, nur uns ganz viel
Zeit zum Abschied zu nehmen. Dafür sind wir beide heute zutiefst dankbar.
Dies ist mein Totentuch, in hellem Beige mit einer eingefilzten Blumenwiese.
Dies ist mein Totentuch, in hellem Beige mit einer eingefilzten Blumenwiese.
Bei Interesse und für weitere Informationen freue ich mich über Ihre Kontaktaufnahme. Bitte senden Sie mir eine Email: abschiede@gmail.com